torsten luttmann
Zwischen Wäldern,
Worten und Wind.
Ich bin kein Freund mehr von vielen Worten, es sei denn, ich schreibe. Weil manche Gedanken nur durch Sätze zu sich selbst finden. Ich bin oft draußen, weil drinnen zu wenig Luft ist. Der Hund läuft vorneweg. Ich gehe hinterher. Schritt für Schritt, über alte Feldwege, durch Wald, durch Nebel. Ich mag Kälte, das Knacken von Holz unter den Stiefeln, den Atem in der Luft. Ich glaube nicht mehr an große Erzählungen, aber an kleine Wahrheiten. An das, was bleibt, wenn alles andere vergeht. Disziplin. Klarheit. Und die Art von Ruhe, die nicht erklärt werden will. Manchmal kommt es mir vor, als wären wir andauernd high. Süchtig nach Eindrücken, ständig auf Empfang. Getrieben und auf Trab. Solange es etwas zu konsumieren gibt, nehmen wir es. Und dann wundern wir uns trotzdem, warum es nicht reicht. Warum wir nicht glücklich sind. Vielleicht, weil Glück nie das Ziel war. Vielleicht geht es um Sinn. Um das, was trägt, wenn alles andere zu schwer wird. Ich habe kein Ziel, kein System, keinen Plan. Aber ich weiß, was sich richtig anfühlt. Und ich gehe immer, bis es still wird. Wenn ich schreibe, ist das meine Art, etwas zu halten, das sonst verloren geht. Es ist kein Auftritt. Kein Versuch, zu gefallen. Nur eine Handvoll Gedanken, abgelegt wie Steine am Wegrand. Manchmal findet jemand sie. Meistens nicht. Und das ist auch gut.
Ich bin vierundvierzig Jahre alt. Ein Alter, in dem die Tage schneller vergehen und die Nächte länger wirken. Manchmal denke ich, der Tod war schon einmal da. Vielleicht nur kurz. Vielleicht nur, um Maß zu nehmen. Ich habe ihn nicht gehört, aber ich habe etwas gespürt. Etwas, das sich nicht erklären lässt und doch bleibt wie ein Gedanke, den man nicht mehr ganz loswird. Die Haare sind dünner geworden. An den Schläfen grau. An manchen Stellen einfach verschwunden. Die Haut spannt anders als früher. Die Falten sind tiefer, aber nicht hart. Eher wie Spuren von etwas, das man zu lange in sich getragen hat. Wenn ich morgens aufstehe, sind die Straßen noch dunkel. Die Welt schläft noch. Ich trinke ein großes Glas Wasser, ziehe mich an, öffne leise die Tür. Der Hund wartet bereits.
Wir sagen nichts. Wir gehen. Immer dieselben Wege, immer ein wenig anders. Über Felder, die noch träumen. Durch Wälder, die nie etwas erklären. Im Sommer liegt der Tau wie feiner Staub auf dem Gras. Wenn ich zurückkomme, steht die Sonne tief und warm zwischen den Bäumen. Im Winter, wenn der Himmel klar ist und der Mond über den Feldern hängt, sehe ich manchmal einen Fuchs. Ein kurzes Leuchten, ein Schatten, lautlos und entschlossen.
Später sitze ich in der Küche. Der Kaffee ist heiß. Der Hund liegt auf meinen Füßen, schwer und ruhig. Sein Atem hebt sich kaum. Ich schaue aus dem Fenster, sehe das Licht sich langsam verändern. Nichts drängt. Nichts fehlt. Es ist einer dieser Momente, in denen das Leben nicht besser wird, aber klarer.
Ich schreibe. Nicht jeden Tag, aber oft. Manchmal am Küchentisch, manchmal unterwegs, manchmal mitten in der Nacht. Ich schreibe über das, was bleibt. Über das, was verloren geht, wenn man es nicht festhält. Ich fotografiere. Nicht um Bilder zu machen, sondern um Spuren zu sichern. Ich glaube, dass manche Dinge nur ein einziges Mal auftauchen. Ein Blick, ein Licht, ein Satz. Und wenn man dann hinsieht, entsteht etwas, das bleibt.
Ich arbeite allein. Es gibt kein Büro, keine Termine, keinen Plan. Nur Stunden, die mir gehören. Worte, die auftauchen. Und Bilder, die sich zeigen, wenn ich lange genug still bin. Ich lebe nicht von dem, was ich tue. Aber ich lebe darin. Und das reicht.