„Kann man so sehr lieben, dass man vergisst, nicht schwimmen zu können?“
Nachmittage.
Die Tage werden kürzer, eine Spur von Helligkeit bleibt, doch sie schwindet schnell. Die Dunkelheit kommt früh, hüllt die Straßen ein, während die Kälte der Nacht heimlich wächst. Heute Morgen, an diesem Sonntag, kurz nach fünf Uhr, war der Frost da – ein feiner Hauch, der sich lautlos über die Autos gelegt hatte, die verlassen und stumm auf dem Parkplatz am Ende der Straße standen. Ich ging die leeren Bürgersteige entlang, das Licht der Straßenlaternen warf lange Schatten und brachte die Einsamkeit der Stunde zur Geltung. Die Häuser lagen schweigend da, ihre Fenster waren erfüllt von den Träumen und Geheimnissen der Nacht, als ob sich dahinter eine andere Welt versteckte, die nur im Schlaf existieren konnte. In dieser Stunde, als die Welt noch im Halbschlaf lag und der Frost das Gras am Wegesrand knisternd überzog, kam ein Gedanke in mir auf. Diese kühlen, klaren Nächte und diese frostigen Morgenstunden, die wie eine Erinnerung an die Stille selbst wirken – sie haben etwas Unverfälschtes. Und vielleicht, so dachte ich, tragen gerade diese Nächte, so dunkel und doch voller Klarheit, den Keim in sich für die Nachmittage, die uns oftmals die schönsten Geschichten schenken.
Es sind die Abende, die still von den Nachmittagen erzählen, und die frühen Stunden des Morgens, die geduldig auf sie warten. Menschen schlendern durch die engen Gassen, ihre Augen spiegeln sich in den Fenstern der Geschäfte, die allmählich in den Schein der vorweihnachtlichen Zeit getaucht werden. Sie verabreden sich in den Cafés, um sich Geschichten zu erzählen – leise Geschichten, die man vielleicht nur bei einem heißen Kaffee teilen möchte.
Andere sitzen allein an den Tischen, die Hände um ihre Tasse gelegt, und beobachten jene, die einander lieben, verachten oder kaum wahrnehmen. Zwischen all den Gesichtern, die vorbeiziehen, schweben leise Erzählungen, Erinnerungen an längst vergangenes Glück oder flüchtige Fantasien von dem, was noch kommen mag. Es sind nie die lauten Stimmen, die von einer aufgeregten Welt berichten, die uns ein Lächeln schenken. Es sind die leisen Worte, die unaufdringlich zu uns sprechen, die uns vor der Einsamkeit, vor Kälte und all den Verletzungen schützen. Und am Ende, wenn die Tage wie eine letzte Welle von uns abfließen, bleiben nur diese kleinen Momente zurück – sie sind das Einzige, das uns wirklich bleibt.

Nachmittage
Die Jacke, die ich mir kaufte, weil Cooper sie in dem Film Interstellar trug, hängt an der schlichten Garderobe. Ihr Braun fügt sich fast nahtlos in das Holz der Vertäfelung ein. Aus dem kleinen Kaminofen strömt eine wohlige Wärme, die den Raum erfüllt. Talko, mein Weimaraner, legt sich neben den Ofen und schließt die Augen. Wenige Momente später ist er bereits im Schlaf versunken, der Kopf sanft auf seiner Matte ruhend, als wäre er in einem Traum. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllt die Luft, und ich halte die Tasse fest in den Händen, während mein Blick aus dem Fenster gleitet.
Es ist wieder einer jener Nachmittage, an denen sich Gedanken leise einschleichen – Gedanken über die Veränderungen, die das Leben uns aufzwingt und die es uns zugleich schenkt. Wie viel hat sich schon verändert, denke ich, und wie viel wird sich noch verändern. Veränderungen können uns brechen, wenn wir uns immerzu gegen sie wehren. Doch wenn wir es wagen, sie anzunehmen, sie vielleicht sogar zu begrüßen und das Vergangene mit dem unaufhaltsamen Strom der Zeit loszulassen, dann sind sie es, die uns heilen können. Die Zeit heilt keine Wunden, wie es so oft heißt; es sind die Veränderungen, die wir zu akzeptieren lernen.