„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“
Leichter Regen
Es sind diese Novembernachmittage, wie man sie nur aus leeren Straßen und tristen Geschichten kennt. Die Kälte liegt schwer in der Luft, als würde sie einen festhalten oder daran hindern, schneller zu gehen. Leichter Regen hält sich hartnäckig. Es ist kein richtiger Schauer, sondern eher eine Mischung aus Nebel und Nässe, die sich langsam und unnachgiebig in den Stoff der Jacke frisst. Die Bäume stehen stumm, fast entblößt, und ihre Äste sind dünne, dunkle Adern gegen den grauen Himmel. Die Straßen glänzen feucht, als wären sie aus glattem, kaltem Stein. Jeder Schritt erzeugt ein Echo, ein Klang wie eine Erinnerung, die lieber vergessen worden wäre. Die Menschen, die an diesen Nachmittagen noch draußen sind, gehen schnell, die Köpfe gesenkt, die Schultern angezogen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Sie scheinen wie Schatten, verlorene Silhouetten in einem Bild, das nichts als Trostlosigkeit und Stille ausstrahlt. Und über allem schwebt dieses Gefühl – dass es in dieser Dunkelheit keine Wärme mehr gibt, dass die Welt sich für den Winter vorbereitet, sich abkapselt und härter wird. Es ist, als ob sich diese Nachmittage selbst verstecken wollten, als wären sie ungeliebte Tage, die nur darauf warten, dass die Nacht ihnen endlich ein Ende setzt.
Ich mag solche Nachmittage. Es ist genau diese unnachgiebige Ungemütlichkeit, die mich mach draußen lockt. Ein Nachmittag, an dem der Regen wie feiner, kalter Rauch in der Luft hängt, als ob er sich weigern würde, nur zu fallen und zu verschwinden. Die Straßen sind leer, die Welt zieht sich zurück, versteckt sich hinter geschlossenen Türen und heruntergelassenen Rollläden. Das Nass glänzt auf dem Asphalt, ein stiller Gruß der Wolken am Himmel, und die Kälte scheint nicht einfach nur zu sein – sie lebt, atmet, nimmt Raum ein. Talko und ich gehen hinein, Schritt für Schritt, als würden wir einen alten Freund begrüßen.
Ja, ich mag diese Nachmittage. Sie haben eine ungeschönte Ehrlichkeit, die in der Stille liegt, im bewussten Verzicht auf jedes Schönreden. Es ist, als ob die Welt sich ausgezogen hat, als ob sie sagen wollen würde: „Hey, so bin ich, ohne den Glanz, ohne den Sonnenschein, ohne irgendwelche Filter. Hass mich oder lieb mir. Mir egal.“ Diese Nachmittage fordern nichts, erwarten nichts, sie sind einfach da, und in ihrer permanenten Dunkelheit finde ich eine seltsame Form von Geborgenheit. Ich brauche kein Ziel, keinen Plan. Nur den Rhythmus meiner Schritte auf dem nassen Boden, das leise Geräusch des Regens, der in den Pfützen tanzt.
Und wir gehen weiter, wohlwissend, dass später etwas auf uns wartet. Ein Zuhause, in dem die Wärme wie eine weiche Decke auf den Wänden liegt. Ich stelle mir vor, wie es sein wird: Das Prasseln des Regens, das dumpf gegen die Fenster schlägt, während drinnen die Stille zur Melodie wird, zu etwas, das fast greifbar ist. Die Welt zieht sich zusammen in einem einzigen Raum und der Kontrast wird zum schönsten Teil des Erlebens. Die Kälte draußen, die ich so bewusst wahrgenommen habe, schenkt dem Zimmer und seiner Heizung erst seine wahre Bedeutung.
Ein warmes Licht, ein behaglicher Sessel, vielleicht ein altes Buch, das sich in meinen Händen vertraut anfühlt. Ich werde die Schuhe ausziehen, die nasse Jacke an den Haken hängen, den Dampf eines heißen Kaffees aufsteigen sehen. Ein recht einfacher Moment, und doch – er ist voller Leben. Ein Leben, das aus der Dunkelheit und Nässe hervorgeht, aus all dem, was die Welt dort draußen zu verbergen sucht. Und in dieser Gemütlichkeit, die mich erwartet, finde ich etwas Ewiges: die Stille, die Tiefe, die Ruhe. Der Regen wird zu einem fernen Rauschen, eine leise Erinnerung daran, dass es draußen eine Welt gibt, die sich trotz allem weiter dreht, während ich hier für einen Augenblick anhalte und einfach bin. An solchen Nachmittagen begreife ich, dass die Ungemütlichkeit mich erst das Schöne wahrnehmen lässt, dass der kalte Atem des November die Vorfreude auf das Innere ist.