Ein Tag am Sorpesee

Die Stunden glitten sanft dahin, wie die Wellen am Sorpesee, begleitet vom Wind im Haar und warmen Sonnenstrahlen, die mein Gesicht berührten. Als der Tag sich dem Ende neigte, sammelte ich behutsam die verbliebenen Erinnerungssplitter ein: den Kaffee an der belebten Promenade, das ferne, dumpfe Horn des Personenschiffes, den würzigen Duft der hoch aufragenden Tannen. Ich erinnerte mich an Lachen, an Momente der Stille und das wohltuende Gefühl, der Wirklichkeit einen ganzen Tag lang ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Es gab keinen Zwang, irgendetwas in den sozialen Netzwerken zu teilen, keine verzweifelte Jagd nach dem perfekten Foto, keine flüchtigen Videos, die lediglich den Dopaminspiegel künstlich in die Höhe trieben. Meine Stunden waren erfüllt mit Leben, mit dem echten, greifbaren Leben und der tiefen Gewissheit, etwas Bleibendes mitnehmen zu dürfen, das bis ans Ende aller Tage – und vielleicht sogar darüber hinaus – im Gedächtnis seinen wohlverdienten Platz finden würde. Es sind oft die kleinen Dinge, die die größte Bedeutung in sich tragen. Nur allzu oft vergesse ich das. Und dieser Beitrag hier? Er dient mir als Erinnerung daran.

Zugegeben, in den ersten Morgenstunden ließ ich mich von der Trägheit des Schlafes verführen und erwachte zu spät, sodass ich den Sonnenaufgang am Sorpesee verpasste. So ließ ich die erste Tageshälfte an mir vorbeiziehen, wie ein unbeschriebenes Blatt im Wind. Der Vormittag dieses Samstages wurde dann, eher unfreiwillig als geplant, den Dingen gewidmet, die zwar hätten warten können, deren Erledigung jedoch unausweichlich schien. Gegen elf Uhr parkte ich das Auto auf dem Parkplatz, ließ Talko aus dem Kofferraum und ging zum Automaten, um ein Parkticket für den kompletten Tag zu lösen. Leider fehlte das entsprechende Kleingeld in meiner Tasche, doch zum Glück konnte ich den fälligen Betrag glücklicherweise per SMS bezahlen. Ich erwähne es, da dies einer jener seltenen Momente war, in denen ich mein Smartphone aus der Tasche zog. Obwohl ich die Kamera mitgebracht hatte, schenkte ich ihr an diesem Tag nur wenig Beachtung. Sie blieb zunächst, unbeachtet und ungenutzt, im Wagen zurück.

Ein Tag am Sorpesee

Während der Wagen auf dem Parkplatz ruhte, betrat ich die Welt des Sorpesees, gelegen im Herzen des Sauerlands, eingebettet zwischen sanft gewellten Hügeln und dichten Wäldern, die das nordrhein-westfälische Land wie ein grünes Meer durchziehen. Der See selbst, ein Juwel dieser ruhigen, oft übersehenen Region, lag da, eingebettet in eine sanfte Umarmung der Hügel, deren Konturen im milden Tageslicht zu flüstern schienen. Das Wasser spiegelte ein Kaleidoskop aus Himmelsblau und Wolkenweiß, durchzogen von den sanften Wellen, die leise ans Ufer plätscherten. Von Osten wehte mir Wind ins Gesicht. 

Hinter dem Sorpedamm breitete sich eine Wiese aus, gesprenkelt mit wilden Blumen, deren Farben lebhaft gegen das satte Grün stachen. Hier und da ein paar Wanderer, die, wie ich, das Bedürfnis verspürten, sich von der natürlichen Schönheit des Ortes einfangen zu lassen und zu verweilen, vielleicht in der Hoffnung, ein Stück dieser Ruhe mit nach Hause nehmen zu können. Der Sorpesee schien ein fast vergessenes Versprechen von Zeitlosigkeit und Frieden zu bewahren, eine Zuflucht vor der Hast des Alltags, ein Ort, wo die Zeit selbst innezuhalten scheint.

Wir gelangten auf den Mittelweg, einen schmalen, unbefestigten Pfad hinter dem Damm, von dem aus sich ein herrlicher Blick auf den Ausgleichsweiher des Sorpesees eröffnete. Dort zeichnet das Pumpspeicherkraftwerk Sorpe seine markante Silhouette in den Himmel. Als ich mit Talko im hohen Gras saß, wusste ich nichts von der Funktion dieses Gebäudes. Ich ließ meine Gedanken schweifen und stellte mir vor, wie es wäre, in einem solchen riesigen Haus zu leben. Doch der Reiz dieser Fantasie verflog rasch, als ich an die unzähligen Fenster dachte, die zu putzen wären. Viel eher sehnte ich mich nach einer kleinen, unscheinbaren Hütte, versteckt irgendwo in den Wäldern, hoch über den Städten und Dörfern. 

Später, als ich mit Denise darüber sprach, stellte ich fest, dass sie ebenso wenig über das Gebäude wusste wie ich. Wir verzichteten darauf, unsere Smartphones zu zücken und nachzuschlagen, denn unsere Neugier reichte nicht aus, den Moment der Unwissenheit zu stören. Tatsächlich ist das Bild, oben, das ich von dieser Stelle machte, eines der wenigen, die ich überhaupt aufgenommen habe. Vom Sorpesee selbst habe ich keine Bilder gemacht, was mir rückblickend als Glücksfall erscheint. Es gibt mir den perfekten Vorwand, einfach wieder dorthin zu fahren. Dann allerdings, ganz früh am Morgen, wenn selbst die Sonne noch nicht den geringsten Gedanken daran verschwendet hat, den Horizont zu erklimmen.

Am Ende entschloss ich mich doch, meine Kamera aus dem Auto zu holen, um einige bleibende Eindrücke festzuhalten. Kurz darauf reichte ich Denise die Kamera, die prompt vorschlug, ein Foto von mir zu machen. Ich willigte ein, erinnerte mich jedoch bald daran, warum ich es bevorzuge, hinter der Kamera zu stehen – wahre Schönheit sieht wahrlich anders aus. Dennoch, mit diesem Foto und einer Fülle wunderbarer Erinnerungen im Gepäck machte ich mich auf den Heimweg.